Der Weinberg

Der von einem kleinen Olivenhain gesäumte Rebberg Ses Closes liegt mitten im Naturschutzgebiet Cap de Creus. Ses Closes ist kein konventioneller Rebberg. Ses Closes ist ein Experiment. Ein Versuch, wie mit dem Besten aus alten Methoden und mit den Innovationen der modernen Landwirtschaft Rebbau betrieben werden kann in einem Gebiet mit äusserst geringer Verfügbarkeit von Wasser. Und dies bei so wenig Mechanisierung wie nur immer möglich. Das meiste geschieht hier von Hand.

Bis vor etwas mehr als hundert Jahren wurde in Cadaqués sehr intensiv Rebbau betrieben. Die mit wunderschönen Trockenmauern terrassierten Hänge am Rande des Mittelmeers boten grosszügig Fläche für Reben, Oliven, aber auch für den Getreideanbau. Mit der Reblaus, die Ende des neunzehnten Jahrhunderts die meisten Weinberge zerstörte und eine grosse Landflucht verursachte, vergandeten die vormals bewirtschafteten Hänge; das kleine Fischerdorf verarmte. Erst der viel später einsetzende Tourismus brachte wieder etwas wirtschaftliche Perspektive, aber wie in anderen Gebieten des Mittelmeerraums wurde fortan keine Energie mehr in die Landwirtschaft investiert. So mussten wir die gesamte Fläche von Ses Closes in mühsamer Handarbeit während mehr als zwei Jahren roden.
cadaques_roden_06Die alten Terrassen wurden wieder freigelegt, der Boden von den Wurzeln der stacheligen Sträucher befreit und dann sorgfältig und möglichst nur oberflächlich bearbeitet, um die wertvolle, über Jahrzehnte gewachsene Humusschicht nicht zu gefährden. Die Felsstruktur, die 40 Zentimeter unter der Oberfläche zum Vorschein kam, wurde behutsam aufgerissen. Nach diesen Arbeiten war die gesamte Fläche übersät von grossen Steinen, die alle einzeln vom Feld getragen wurden. Nun konnte der Boden ruhen, bevor im Februar 2016 knapp 800 Pflanzen gesetzt wurden – der erste Rebberg auf Gemeindegrund Cadaqués seit vielen Jahrzehnten war Tatsache geworden. Gepflanzt wurde in sehr grossen Abständen. Von Pflanze zu Pflanze eine Distanz von 1,5 Metern. In jede Richtung. Dieser hohe Pflanzabstand soll jeder Rebe die nötige Wasserzufuhr gewährleisten. Während der Sommermonate fällt in Cadaqués so gut wie kein Regen. Das Ziel der Anlage ist es, nach einigen Jahren ganz ohne Bewässerung auszukommen. Um die ersten Jahre zu überbrücken, wurde ein sehr effizientes Tröpfchen-Bewässerungssystem installiert. Die Schläuche liegen direkt auf dem Boden. Das erschwert zwar die Bearbeitung des Bodens, hat aber zur Folge, dass viel weniger Wasser eingesetzt werden muss – das wertvolle Nass gelangt auf direktem Wege zur Pflanze. In den Sommermonaten wird zudem jegliches Unkraut von Hand entfernt. Diese Arbeit erlaubt es, der Rebe die grösstmögliche Verfügbarkeit des wenigen Wassers zu gewähren. So konnten die ersten Sommer mit einer zusätzlichen Bewässerung von jeweils lediglich 30 Litern Wasser pro Pflanze überstanden werden. Dies entspricht etwa einem Zehntel der Menge, die normalerweise in der Region bei Neuanlagen verwendet wird.

Um dem Boden die notwendigen Nährstoffe zurückzugeben, wird im Herbst direkt nach der Ernte jeweils eine Gründüngung eingesät. Eine vom Ithaka-Institut entwickelte Leguminosen-Saatmischung sorgt für eine ausreichende Stickstoffversorgung, so kann auf eine zusätzliche Düngung des Bodens verzichtet werden. cadaques_2016_11_28Zusätzlich sind inmitten der Reben Kräutergärten und Mandelbäume gepflanzt worden, um eine grosse Artenvielfalt zu fördern und den zahlreichen Nützlingen im Weinberg eine Heimat zu bieten.

Der Krankheitsdruck auf die Reben ist auf Cap de Creus aufgrund der Trockenheit und des starken Windes eher gering. Um die Pflanzen aber auf allfälligen Pilzbefall vorbeugend stärken zu können, wird auf Ses Closes ausschliesslich mit biologischen Spritzmitteln gearbeitet, wie beispielsweise mit Pflanzenjauchen aus Brennnessel- und Schachtelhalmextrakten. Diese Kontaktmittel dringen nicht wie systemische Spritzmittel in den Organismus der Pflanze ein. Aus diesem Grund müssen diese biodynamischen Spritzmittel regelmässiger als konventionelle gespritzt werden; die Umgebung wird aber nachhaltig geschont.

Angebaut haben wir fünf verschiedene Sorten, alte Sorten, die seit je in Katalonien gedeihen und perfekt auf die klimatischen Bedingungen und die Böden dieser Landschaft ausgerichtet sind: Lledoner Roig, Lledoner Blanca, Macabeu, Bourbolenco und ein paar wenig Pflanzen der Sorte Piquepoul. Sie sind allesamt gut hitzeverträglich, geraten sehr spät in Trockenstress und kommen auch erstaunlich gut mit den heftigen Windböen des Tramuntana zurecht. Auch die Erziehungsmethode der Reben ist eine sehr alte und traditionelle: «en vaso», bei uns auch bekannt als «Gobelet».; Die Pflanzen werden sehr tief gehalten und in drei bis fünf Armen kurz geschnitten sowie als Büsche geführt. Die Reben kommen ganz ohne Drahtunterstützungsanlage aus. Die Triebe werden lediglich in den ersten Jahren an einem schlichten, von Hand gespaltenen Holzpfahl gehalten. So sind die Weinreben den starken Winden viel weniger ausgesetzt, und die wild wuchernden Triebe schützen die Trauben vor zu intensiver direkter Sonneneinstrahlung. Eigentlich das perfekte Schnitt- und Erziehungssystem für diese Region, aber da mit dieser Methode eine mechanische Bearbeitung des Weinbergs nur bedingt möglich ist (fast ausschliesslich Handarbeit), ist sie bei Neuanlagen nur noch selten zu finden.

Im ersten Jahr Jahr haben wir bei den stärksten Pflanzen einige Trauben ausreifen lassen, um die zu erwartenden Zuckerwerte feststellen zu können. Im diesem Jahr haben wir im Juli alle heranreifenden Trauben entfernt, bei den schwächeren Pflanzen bereits im Mai nach der Blüte. So können die Pflanzen ihre ganze Kraft in die Wurzelbildung investieren. Im nächsten Jahr werden wir versuchen, ein Drittel der zu erwartenden Gesamternte zu ernten, also etwa 200 Kilo, ein Jahr später zwei Drittel, um dann 2020 die erste Vollernte verarbeiten zu können. Die unreifen Trauben, die wir im Juli entfernt haben, wurden jedoch auch schon verarbeitet. Aus denen haben wir einen Verjus produziert, einen sehr sauren Traubensaft. Dieses äusserst rare und edle Produkt wird beim Kochen als Säuerungsmittel eingesetzt, besitzt im Gegensatz zu Zitronensaft oder Essig eine viel intensivere und interessantere Aromatik. Das werden wir nun jedes Jahr Anfang Juli machen, um die zur Ertragsregulierung weggeschnittenen Trauben verwenden zu können.

Was wir alles mit den reifen Trauben in den kommenden Jahren anstellen werden, ist noch nicht endgültig definiert. Allerdings werden wir schon im nächsten Jahr mit einer kleine Charge erste Versuche zur Herstellung eines Rancio Sec starten. Der Rancio Sec ist ein nicht aufgespritteter, oxidativer, sherryähnlicher Wein, der wie Sherry im Solera-Prinzip ausgebaut wird: Jedes Jahr wird vom alten Wein etwas abgezogen und abgefüllt, um die Fässer mit dem neuen Wein wieder aufzufüllen. So vermischen sich die Jahrgänge und der Wein nimmt mit jedem Jahr an Dichte zu. Unsere sehr exponierte Südlage und die damit verbundenen hohen Zuckerwerte sind prädestiniert für ein solches Produkt. Aber auch einen klassischen, reduktiven Weisswein werden wir versuchen herzustellen; die Kräuter, um mit diesem Wein vielleicht auch einen Vermouth zu produzieren, haben wir auf Ses Closes bereits angepflanzt. Jeder Versuch soll uns einem terroirgerechten Produkt näherbringen. Und wie immer auf Ses Closes gilt: Nichts ist ausgeschlossen, alles ist möglich und wird ausprobiert!