Die Menschen

Der Winzer, der Bruder des Besitzers

Sylvan Müller arbeit erstmals mit 17 Jahren für neun Monate im Weinbau. In den steilen Hängen des Dézaley arbeitete er 1989 mit am Jahrhundertjahrgang des Clos des Moines. Ein paar Jahre später lässt er sich Bücher der Weinfachschule Wädenswil schicken, fährt ins Wallis, kauft sich 100 Kilo Trauben und fabriziert im Keller seiner Eltern seinen ersten Wein. 1994 schliesst er die Ausbildung zum Fotografen ab. Er realisiert zahlreiche grosse Reportagen, unter anderem in Tschernobyl, in der DDR, Äthiopien, Japan und Istanbul. 1996 gründet er mit zwei Freunden und seinem Bruder „fabrik studios“, deren Mitinhaber er bis 2011 ist. Sie machen sich vornehmlich mit ihren Stilllife- und Foodaufnahmen einen Namen und arbeiten mit Studios in New York und der Schweiz. 2011 wird „fabrik studios“ aufgelöst.

cadaques_portrait_sylvan_02

Sylvan Müller arbeitet seit dieser Zeit fast ausschliesslich an Langzeitprojekten. Bekannt wird er mit seinen kulinarischen Arbeiten wie beispielsweise dem kulinarischen Reisetagebuch „Japan – Kochreisefotobuch“, mit seiner Spurensuche nach Erinnerungen und Alltagsschätzen aus unseren Küchen „Mama kocht“ oder mit dem „Kulinarischen Erbe der Alpen“, für das er den europäischen Alpenraum bereist, kulinarische Produkte fotografiert und die Menschen porträtiert, die dahinterstehen. Er verfolgt mit diesen Projekten seine grosse Leidenschaft: Essen und Trinken und die Geschichten, die es darüber zu erzählen gibt. Seine Bilder bestechen durch einen unaufgeregten und äusserst reduzierten Stil und sind in mehreren international ausgezeichneten Büchern zu bewundern. Nun kehrt er zurück zum Wein. Auf Ses Closes ist er zuständig für das Wohl der Reben. Und für die Berichterstattung.

Der Besitzer, der Bruder des Winzers

Patrik Müller lernt Elektroniker, Beleuchtungstechniker, Tontechiker und absolviert die Schauspielschule in Zürich. Er inszeniert und vertont Geschichten, setzt sie ins richtige Licht. Die Suche nach einem Platz an der Sonne bringt ihn nach Cadaques, wo er seit einigen Jahren einen grossen Teil seines Lebens verbringt. Mitten im Naturschutzgebiet von Cap de Creus stösst er auf ein kleines Schild mit verwitterter Schrift. „Se vende“ steht auf dem Schild und die Telefonnummer Joans Tatjers, dem Besitzer der Parzelle. Nach kurzer Zeit, ist Patrik Müller neuer Proprietario von „Ses Closes“ einem kleinen Paradies von etwas mehr als einer Hektare, knapp 200 Meter über dem Meer gelegen. cadaques_portrait_patrik_03Noch ist das Stück Land fast unbegehbar, weil durchgehend mit Sträuchern und Dornengebüsch überwachsen. Das Abenteuer beginnt. Er und sein Bruder Sylvan roden das komplette Gelände während zweier Winter um im Februar 2016 die ersten Reben zu pflanzen.

Seine unzähligen Ausbildungen machen ihn zum wahren Allrounder. Er ist auf Ses Closes zuständig für den grossen Plan, das Gesamtbild. Welches nur er kennt und sich ständig wandelt. Und er versucht mit seinem Elektrozaun die Wildscheine in Schranken und weg von den Trauben zu weisen.

Die gute Seele 1

Joan Tatjer ist der vormalige Besitzer von Ses Closes. Der gebürtige Katalane hat einen grossen Teil seines Lebens in Cadaques verbracht. Als gelernter Innenarchitekt ist er in den sechziger Jahren in Barcelona für das Setdesign von Filmproduktionen zuständig und richtet Diskotheken und Clubs ein. Auch im Cadaques der frühen siebziger Jahren, wo er hängen bleibt, mitten im kulturellen Leben der aufstrebenden Künstlerkolonie rund um Marcel Duchamps und Salvador Dalí. Er verliebt sich in das Dorf am Meer, in die wilde Landschaft des Cap de Creus und vor allem in die uralten Trockenmauern, die sich Tausende von Kilometern durch die Hänge ziehen.

cadaques_portrait_joan_03

Er kauft sich ein kleines Stück Land, Ses Closes, auf dem er mit Freunden an den Mauern und am Land arbeiten will. Dann aber tritt man mit einem Angebot an ihn heran, das er nicht ausschlagen kann, und er reist nach Kuba, später nach Mexiko und kehrt erst zwanzig Jahre später wieder nach Cadaques zurück. Nun hat er Ses Closes an Patrik Müller verkauft, mit einer Bedingung: Teil dieser Geschichte bleiben zu können, auf dass seine Vision Gestalt annehmen möge, die Trockenmauern in altem Glanz erstrahlen und Menschen auf seinem Land Ideen verwirklichen werden. Wo immer Hilfe gebraucht wird, Joan ist da, auch auf Ses Closes.

Die gute Seele 2

Merce Donat ist in Cadaques geboren und aufgewachsen. Im kleinen Weinberg ihres Grossvaters verbringt sie ihre Kindheit, die Traubenernte wird jedes Jahr zum grossen Familienfest. Vor der Gärung zerstampfen die Kinder im Keller mit den Füssen die Trauben, mit Waser verdünnter Wein ist ihr Coca-Cola.

cadaques_portrait_merce_03

In Barcelona studiert sie Psychologie, in Oslo politische Wissenschaften, bevor sie per Anhalter vom hohen Norden wieder nach Barcelona zurücktrampt und noch ein Studium für soziale Arbeit absolviert. Sie ist Mutter zweier Kinder, und für die Kleinsten veranstaltet sie im Naturpark Kurse, wo sie den Kindern die Geheimnisse der Natur Cap de Creus erklärt. Sie kennt jede Pflanze und jedes noch so kleine Tier. Und sie kennt jeden Bewohner von Cadaques, jeder kennt sie. Das macht sie unentbehrlich für die Arbeiten auf Ses Closes: Sie ist die Netzwerkerin und Vermittlerin.

Der Gärtner

„Sevi“ heisst Sevi, weil er aus der Region Sevilla stammt. Erst nach einem Jahr erfahren wir seinen richtigen Name, der eigentlich keine Bedeutung hat, weil ihn niemand kennt. Hier der Vollständigkeit halber: Francisco Alonso. Aber eben, für alle: Sevi. Auch sein andalusischer Dialekt, den er, der nun doch schon seit bald dreissig Jahren in Cadaques lebend, nicht abgelegt hat und ihn ausgiebig pflegt, ist Zeuge seiner Herkunft.

cadaques_portrait_sevi_03

Der Vater dreier Söhne, zwei aus einer ersten und einer aus zweiter Ehe, stammt aus einer andalusischen Bauernfamilie. Er hat sein ganzes Leben auf dem Feld verbracht und pflegt heute in Cadaques Olivenhaine und Privatgärten und mitten im Dorf seinen eigenen kleinen Gemüsegarten. Auf Ses Closes bringt er in den Sommermonaten nach Sonnenuntergang die Spritzmittel aus und alarmiert und reagiert bei Unvorhergesehenem: Wenn beispielsweise ein Wildschwein den Zaun durchbricht, die Bewässerung aussteigt oder die Reben frisch gebunden werden müssen. Was er nicht mag: Spiele des FC Barcelona.

Das Mädchen für alles

Anne-Catherine Lüke ist gelernte Handarbeitslehrerin, studiert in Paris Modedesign und lebt und arbeitet mit eigener Kollektion und eigenem Geschäft für viele Jahre in New York. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz erfindet die Designerin „Knit Kit“, bringt Kurt Aeschbacher das „Lismen“ bei und macht sich einen Namen mit ihren ausgeklügelten Strickanleitungen, die sie unter anderem für die „Schweizer Landliebe“ schreibt.

cadaques_portrait_annecatherine

Ihr handwerkliches Geschick bringt sie auch auf Ses Closes ein: beim Anbinden der Pflanzen, bei dem Entwirren von Schnüren und Seilen und dem Beschriften der Patenschildchen. Aber auch für tagelange Jäteinsätze ist sie sich nicht zu schade. Ausserdem ist sie als Feld-Caterer verantwortlich für die besten Sandwiches und eine grossartige Paella, die sie neben den Reben auf dem Feuer der gerodeten und verbrannten Sträucher kocht. Seit März 2016 sind sie und Sylvan Müller verheiratet, das Fest zur Hochzeit findet zwischen den Reben statt.

Der Mauerbauer

Angel Quito ist in Guayaquil geboren und lebte bis 2002 auch in der ecuadorianischen Millionenstadt. Seit 15 Jahren lebt und arbeitet er nun in Cadaques und verdient sich sein Leben mit verschiedensten Arbeiten. Auf dem Bau, im Bootsbau aber auch in der Landwirtschaft. Aber wie wenig Andere in Cadaques beherrscht der 50-jährige das uralte Handwerk des Trockenmauerbau’s.cadaques_portrait_angel_04

Mit einer unwahrscheinlichen Ruhe und Geduld, bringt er die einzelnen Steine in die richtige Form, schichtet Platte um Platte aufeinander und ineinander und schafft so in einem Tag etwas mehr als einen Kubikmeter an Kunsthandwerk. Er schafft Mauern aus den Steinen die dem Boden entnommen werden um ihn urbar zu machen. Mauern, die die Hänge in einzelne Flächen abtrennen. Diese Mauern, Wege, oder ein Fundament für das Wasserdepot: Das sind auf „Ses Closes“ die Werke von Angel Quito. Dass ihm die Arbeit nicht ausgeht, dafür sorgen die unzähligen Wildschweine. Sie bahnen sich ihre Wege unabhängig jeder Mauerführung ohne Rücksicht auf Verluste.